Cold as Ice

Author: Sandra Gerth
Rating: PG (General/Action/Drama/Angst)
Spoiler: "Silent Service"; "Ein Held vor Gericht"; "Rendezvouz mit dem Tod", "Boomerang" (Spielt gegen Ende der 5. Staffel.)
Disclaimer: Alle Rechte an der Fernseh-Serie JAG und ihren Charakteren gehören Donald P. Bellisario, Belisarius Productions, CBS und Paramount.
Summary: Ausgerechnet als Harm und Mac sich nur noch streiten, wird ihnen ein neuer Auftrag zugewiesen und es ist kein Aufenthalt auf einem U-Boot, sondern schlimmer.


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Chapter 2

1848 Z-Zeit (13: 48 Uhr EST)
JAG-Hauptquartier
Falls Church, Virginia

Harm verharrte einen Moment vor Macs geschlossener Tür und zögerte. Früher, da war es wieder, dieses Wort früher, hätte er nicht gezögert, sondern wäre schwungvoll eingetreten, hätte sich gegen Macs Schreibtisch gelehnt und irgendeine witzige Bemerkung gemacht. Mac hätte gelacht, ihm vielleicht einen leichten, freundschaftlichen Schlag auf die Schulter versetzt und hätte eine schlagfertige Antwort gegeben. Harm wußte jedoch, was geschehen würde, wenn er so etwas jetzt versuchte: Vermutlich würde ihr Schlag weniger freundschaftlich ausfallen und er würde den Arm die nächsten drei Wochen in einer Schlinge tragen.

Harm mußte ein wenig grinsen bei dem Gedanken, daß die um über einen halben Kopf kleinere und sicher 30 kg leichtere Mac ihn derart verletzen würde, obwohl er wußte, daß sie durchaus dazu in der Lage war. Er klopfte fast zaghaft und streckte den Kopf zur Türe herein. "Hey, Mac..."

Mac saß vornübergebeugt in ihrem Schreibtischsessel, den Kopf in die Hand gestützt, und preßte zwei Finger auf die Stelle über ihrer Nasenwurzel. Als sie ihn hereinkommen sah, straffte sie sich sofort und legte beide Hände auf den Tisch.

Harm kannte sie, er wußte, daß sie sich nur ungern dabei ertappen ließ, irgendeine Art von Schwäche zu zeigen. Öfter als er zählen konnte, hatte sie betont, daß sie ein Marine war und selbst auf sich aufpassen konnte. Harm konnte das verstehen.
Nach ihrer unschönen Kindheit und ihrem Alkoholismus brauchte sie das Gefühl, Kontrolle über sich und ihr Leben zu haben. Sie wollte stark und unabhängig sein. Mit dieser Einstellung hatte sie es weit gebracht im Corps und Harm schätzte diese Eigenschaften an ihr, aber er wußte auch, daß es ihr manchmal mehr Schaden als Nutzen einbrachte. Sie tat sich schwer damit, anderen zu vertrauen und noch schwerer fiel es ihr, zuzugeben, daß sie Hilfe brauchte. Harm hatte sie noch niemals sagen gehört, daß es ihr nicht gut ginge oder daß sie eine helfende Hand oder eine Schulter zum Ausweinen brauchte.

Wenigstens hatte er sie nach dem ersten Jahr ihrer Zusammenarbeit dazu gebracht, Hilfe anzunehmen, wenn er sie ihr unaufdringlich genug anbot. Er hoffte, daß das jetzt nicht der Vergangenheit angehörte, denn eines konnte er sehen: Mac benötigte Hilfe.

"Mac, alles in Ordnung?" fragte er und sah besorgt auf sie hinab.

"Ja, wieso sollte etwas nicht in Ordnung sein?" brummte Mac und ohne daß sie es wollte schlich sich ein scharfer Unterton in ihre Stimme.

Harm räusperte sich. "Na ja, Sie haben so einiges durchgemacht in letzter Zeit." meinte er sanft.

Mac sah ihn finster an. "Glauben Sie, das weiß ich nicht? Danke, daß Sie mich so freundlich mit der Nase darauf stoßen." schnaubte sie sarkastisch.

"Das war nicht meine Absicht, Mac, und das wissen Sie auch. Wieso drehen Sie mir jedes Wort im Mund herum?" erkundigte sich Harm ärgerlich, "Ich wollte doch nur wissen, ob Sie irgendwelchen Ärger haben!"

Mac hatte nicht vor, sich auf ein Gespräch über den Ärger, den sie haben oder nicht haben mochte, mit ihm einzulassen. "Ich stehe nicht erneut kurz davor, wieder vors Kriegsgericht zu kommen, wenn es das ist, was Sie meinen!" entgegnete sie kühl.

Harm schüttelte den Kopf und gab auf. "Okay, okay, es geht Ihnen blendend, es gibt keinerlei Probleme, schon verstanden. Dann können Sie ja mitkommen, der Admiral möchte uns sprechen."

Als sie Harm folgte, winkte vom anderen Ende des JAG-Office ein Junior-Offizier mit einem Notizheft. "Oh, Colonel, da sind Sie ja, Ma’am! Können Sie ..."

Mac warf ihm einen ungeduldigen Blick zu, ohne auch nur einen Moment anzuhalten. "Nicht jetzt!" erwiderte sie barsch.

Harm beschloß, mal mit dem Admiral zu sprechen. Vielleicht konnte er Mac ja ein paar Tage Urlaub geben oder wenigstens einen Fall außerhalb von Washington, bei dem sie mal eine Weile weg von allem kam. Irgendwo, wo es warm war und die Sonne schien.

Sie erreichten die Tür zum Büro des Admirals zur gleichen Zeit. Harm überließ Mac wie immer den Vortritt und meinte mit einer scherzhaften Verbeugung: "Nach Ihnen."

Aber Mac war offensichtlich nicht in der Stimmung für Scherze. Sie starrte ihn nur an und machte keine Anstalten, einzutreten.

Harms Grinsen verblaßte langsam, aber bevor er etwas sagen konnte, riß der Admiral von innen die Tür auf. "Irgendein unsichtbares Hindernis vor dieser Tür? Nein? Dann warten Sie vielleicht auf eine schriftliche Einladung?"

"Nein, Sir!" erwiderten Harm und Mac, während sie eintraten.

Admiral Chegwidden kehrte hinter seinen Schreibtisch zurück, verschränkte die Arme vor der Brust und sah die beiden warnend an. Er wollte es nicht erleben, daß ausgerechnet sein "Aushängeschild"-Team ihn vor einem Repräsentanten der Central Intelligence Agency blamierte.

Ein Mann im dunkelgrauen Anzug stand vor dem Ölgemälde von Admiral Arleigh S. Burke und drehte sich langsam, fast ein wenig gelangweilt um, als er sie kommen hörte.

"Hallo, Webb, was machen Sie denn hier?" fragte Mac erstaunt, "Fangen Sie sich etwa schon wieder was ein?" Sie lächelte schelmisch.

Der CIA-Agent verzog das Gesicht. "Oh, sehr witzig, Colonel." entgegnete Webb, grinste aber ebenfalls.

Harm sah dieser Begrüßung ein wenig irritiert zu. Mit ihm, ihrem Partner, konnte Mac nichtmal ein halbwegs zivilisiertes Wort wechseln und Webb lächelte sie sogar zu? Harms Flyboy-Image geriet leicht ins Wanken.

"Mister Webb ist hier, weil er einen Auftrag für Sie hat." verkündete Chegwidden und er sah nicht besonders glücklich darüber aus, daß die CIA seine Leute schon wieder rekrutieren wollte.

"Oh, danke, aber ich glaube, wir haben noch genug vom letzten Mal." meinte Harm und diesmal widersprach ihm nichtmal Mac.

"Ja, ich zahle jetzt noch Ihr Regierungs-Eigentum-Kleid ab!" fügte sie hinzu.

Webb zeigte sich unbeeindruckt. "Dachte ich mir schon, daß Sie das sagen. Der Marineminister war so freundlich, mir Ihre Mitarbeit zuzusichern." erklärte er mit einem diplomatisch-arroganten Lächeln.

"Wenn man das mal aus der Agentensprache übersetzt, heißt das: Sie haben keine Wahl!" knurrte Chegwidden und sah Webb düster an.

"So ungefähr," gab Webb zu, "aber ich verspreche, daß Sie diesmal kein Kleid anzuziehen brauchen. Ich brauche Sie für eine Ermittlung in einer internationalen Einrichtung."

"Solange es kein U-Boot ist." brummte Mac.

"Es ist schlimmer als ein U-Boot." warf A.J. ein.

Das weckte Harms Aufmerksamkeit. Er konnte sich kaum etwas vorstellen, das in Anbetracht des angespannten Klimas zwischen ihm und Mac schlimmer als der Aufenthalt in einem U-Boot sein konnte.

"Aber Sie wollten ja unbedingt vom Manley-Fall abgezogen werden," fuhr der Admiral fort und grinste fast ein wenig boshaft, "sieht so aus, als würden Sie Ihren Willen doch noch bekommen."

"Sie sind derjenige, der irgendwelche blöden Anträge stellt und ich muß ebenfalls darunter leiden!" beschwerte sich Mac leise.

Harm grinste. "Und Sie sind diejenige, die sich gegen meine Anfrage in Bezug auf neue Partner ausgesprochen hat. Jetzt kommen Sie in den Genuß der kleinen Vergnügen, die es mit sich bringt, ein Team zu sein."

Harm wandte sich wieder Webb und dem Admiral zu. "Was genau ist denn schlimmer als ein U-Boot?" erkundigte er sich vorsichtig.

"Es geht um eine internationale Forschungsstation westlich von Barrow." erklärte Webb.

"Barrow in Iowa?" vermutete Harm.

Webb grinste fast schadenfroh und selbst Chegwiddens Mundwinkel zuckten. "Barrow in Alaska, in Nord-Alaska, Harm." verbesserte der CIA-Agent.

Harm machte große Augen. "In Alaska? Da gibt es doch nichts außer Schnee und Eis!" Soviel also zu einem Urlaub für Mac an einem Ort, an dem es warm und sonnig war!

"Wie mir scheint, gibt es unter diesem Eis aber eine ganze Menge." brummte Chegwidden und sah Webb auffordernd an.

"Richtig, A.J. Wie gesagt, es ist eine internationale Forschungsstation, die wir zusammen mit den Russen und den Japanern betreiben." begann Clayton Webb zu erklären, "das Ganze ist sozusagen noch im Experimentalstadium, deshalb sind dort bisher nur vier US-Soldaten, vier russische Militärs und vier japanische Zivilisten stationiert. Darunter sind Klimaforscher, Geophysiker, Biologen und Erdöl-Techniker."

Mac winkte ungeduldig. "Schön und gut, Webb, aber was haben wir damit zu tun? Wir sind keine Forscher, schon vergessen?"

"Ja, aber zwei dieser Forscher sind verdammt TOTE Forscher, Colonel MacKenzie!" betonte Webb.

"Und auch noch zwei unserer Leute!" brummte Chegwidden.

Webb warf ihm einen Blick zu. "Aus der ganzen Angelegenheit könnte sich ein internationaler Konflikt ergeben, wenn wir nicht sofort handeln. Wenn die beiden von einem Vertreter einer anderen Nation ermordet wurden ..."

"Wenn, Webb? Wurden sie nun ermordet oder nicht?" hakte Harm nach.

"Läßt sich schlecht sagen ohne Leichen." antwortete Webb ironisch.

"Es wurden keine Leichen gefunden? Wie wollen Sie dann wissen, was mit Ihnen passiert ist? Ich meine, in Nord-Alaska gibt es UNZÄHLIGE Möglichkeiten, wie man ums Leben kommen kann! Wenn sie überhaupt tot sind!" Mac sah den CIA-Agent mißbilligend an.

"Genau dazu brauchen wir Sie ja! Sie sollen herausfinden, was passiert ist, und verhindern, daß noch mehr geschieht." entgegnete Webb. "Wir werden Sie undercover dort einschleusen, falls einer der Forscher der Mörder ist. Mac, Sie geben sich als Geologin aus."

Mac sah ihn an, als hätte er den Verstand verloren. "GEOLOGIN? Webb, ich habe nicht die geringste Ahnung von Geologie!" protestierte sie ärgerlich.

Webb zuckte überlegen die Schultern. "Ach was, ich weiß, daß Paläontologie und Archäologie zu Ihren Hobbies gehören. Das machen Sie schon, Colonel." meinte er unbekümmert.

"Ich bezweifle, daß es sonderlich überzeugend klingt, wenn alles, was ich über die Erdgeschichte weiß, sich auf ein paar Fossilien, Ichthyosaurier und Triceratops beschränkt!" schnappte Mac verärgert.

"Das wird schon gehen, Mac, wir haben Ihnen ein Dossier mit den wichtigsten Dingen zusammengestellt. Außerdem haben wir Ihre Fachgebiete absichtlich so gewählt, daß sie sich nicht zu sehr mit dem eines der Forscher überschneiden. So wird niemand sofort Verdacht schöpfen und Sie werden nicht mit den anderen zusammenarbeiten müssen." Webb klang zuversichtlich, aber schließlich mußte er ja auch nicht die Reise nach Alaska antreten.

Harm grinste vor sich hin. Mac als Geologin! "Machen Sie sich keine Sorgen, Mac, Sie können mich jederzeit um Rat fragen." bot er scherzhaft an, "Sie wissen doch, daß ich in Kalifornien aufgewachsen bin, praktisch hatte ich den San-Andreas-Graben direkt vor meiner Haustür." Er zeigte sein charmantestes Flyboy-Grinsen.

Mac ging nicht darauf ein. "Und welche Rolle haben Sie dem Commander zugedacht?" erkundigte sie sich bei Webb.

Harm sah recht zuversichtlich aus. Die meisten der Forscher schienen Erdöl-Spezialisten, Physiker oder Ingenieure zu sein und als ehemaliger Pilot und Hobby-Bastler glaubte er, mit einem technischen Job ganz gut fertigwerden zu können. Sicher würde man ihm etwas Derartiges zuweisen.

Webb hob die Hand zum Mund, um sein breites Grinsen zu verbergen. "Harm, Sie sind der neue Psychologe der Station." erklärte er, als wäre das die selbstverständlichste Sache der Welt.

Jetzt war es an Harm, erstaunt zu sein und an Mac, schadenfroh zu grinsen. "Ich bin Psychiater, ein Seelenklempner? Webb, kommen Sie, das kann doch nicht Ihr Ernst sein, geben Sie mir irgendeinen anderen Job!" verlangte Harm fast entsetzt.

Webb lächelte nur sein James-Bond-Lächeln. "Nicht Psychiater, Harm, Psychologe, das ist ein Unterschied," verbesserte er ruhig, "und Sie bekommen keinen anderen Job. Wir haben uns das gut überlegt. Als Psychologe haben Sie die Gelegenheit, unauffällig mit den Forschern zu sprechen, sie über die beiden Toten und ihr Verhältnis zu den anderen Stationsangehörigen auszufragen."

"Commander, Sie sind wie geschaffen für den Job, denken Sie nur an all Ihre Erfahrungen mit Jordan." konnte Mac sich nicht verkneifen zu sagen.

Harm verschränkte die Arme vor der Brust, sagte aber nichts mehr dazu. "Sonst noch etwas, das wir wissen sollten?"

Webb klatschte einen dicken Ordner auf den Tisch. "Hier sind die Akten der beiden Toten und der übrigen Leute in der I.C.E.-Station."

"ICE? Wie passend!" kommentierte Mac.

"International Cooperative Enterprise," erläuterte Webb und klopfte auf den Ordner, "Sie finden hier auch Informationen zu Ihren jeweiligen Fachgebieten und Ihrer Tarnidentität. Ein Spezial-Hubschrauber wird Sie morgen früh um 8 Uhr in Dulles aufnehmen und erstmal nach Valdez fliegen. Oh, und bevor ich es vergesse, die hier sollten Sie besser tragen." Webb legte etwas auf den Schreibtisch und grinste mit nur schlecht verborgener Schadenfreude.

"Ist doch schön, wenn einem der Beruf so viel Spaß macht!" dachte Harm spöttisch. Dann verging ihm das Scherzen aber, denn er hatte jetzt erfaßt, was Webb da neben den Ordner gelegt hatte.

"Ringe?!" entfuhr es Mac. "Was soll das? Ich habe genug durchgestanden, bis ich den einen wieder zurückgegeben hatte, ich brauche ganz sicher keinen Ersatz!" ging ihr durch den Kopf.

"Was soll das bedeuten, Webb?" forderte auch Harm energisch zu wissen.

"Das ist eine der Besonderheiten des ICE-Projekts. Die Station liegt sehr abgelegen und aufgrund der klimatischen Verhältnisse ist man dort die meiste Zeit über von der Außenwelt abgeschnitten. Es wurde deshalb beschlossen, nur Ehepaare dort arbeiten zu lassen," erläuterte Webb, "Man hofft, daß das die Spannungen unter den Forschern verringert."

"Funktioniert offenbar blendend wie man an Ihren zwei Toten sieht." bemerkte Mac sarkastisch.

"Wir haben es also mit 5 Wissenschaftlern und ihren Frauen zu tun?" vergewisserte sich Harm.

Webb schüttelte den Kopf. "Die Bedingung ist, daß beide Partner eine wissenschaftliche Ausbildung haben."

Mac rang sich ein ironisches Lächeln ab. "Tja, ohne Frauen geht es nicht, das hat sogar Gott einsehen müssen."

Webb sah zwischen Harm und Mac hin und her. Er konnte spüren, daß etwas zwischen ihnen sich verändert hatte und ganz sicher nicht zum Besseren. "Ich fasse also nochmal zusammen: Sie, Commander, sind ein Psychologe und Sie, Colonel, eine Geologin. Sie beide sind frisch verheiratet, herzlichen Glückwunsch übrigens. Gibt es damit irgendein Problem?" Erneut sah er von einem zum anderen.

"Webb, ich halte das nicht für eine gute Idee. Wieso schicken Sie nicht jemand anderen? Mattoni und Imes zum Beispiel." schlug Harm vor.

Chegwiddens Wangenmuskeln mahlten. "Mattoni ist verheiratet, Commander." erinnerte er.

Harm zuckte die Schultern. "Eben."

"Aber nicht mit Commander Imes!" knurrte der Admiral.

"Bud ... Lieutenant Roberts und Ensign Sims-Roberts sind verheiratet, Sir." wandte Mac ein. Zum ersten Mal seit Tagen waren sie und Harm völlig einer Meinung.

"Colonel, hören Sie auf mit der Diskussion, das habe ich alles schon mit Webb debattiert. Wenn es eine andere Möglichkeit gebe, dann würde ich Sie sicher nicht der CIA in den Rachen werfen, das können Sie mir glauben!" grollte Chegwidden.
"Commander, Sie haben ein breitgefächertes technisches Wissen und können Ihrem Partner Rückendeckung geben und Sie, Colonel, sind aufgrund Ihrer Sprachkenntnisse ideal für die Mission. Niemand weiß, daß Sie fließend Japanisch und Russisch sprechen, das könnte von Vorteil sein. Außerdem kennen Sie sich gut und können ein verheiratetes Paar überzeugend genug spielen." "Jedenfalls streiten sie sich schon wie eines." fügte er in Gedanken hinzu.

"Hey, kommen Sie, machen Sie schon, das sind nur Ringe, keine Handschellen!" ermutigte Webb sie.

Zögernd griff Harm nach seinem Ring und streifte ihn über. "Lassen Sie das bloß nicht Brumby sehen, Mac, sonst denkt er noch, Sie hätten seinen Ring endlich an die linke Hand gewechselt!" neckte er seine Partnerin.

Mac warf ihm einen tödlichen Blick zu. Sie hatte ihm nicht gesagt, daß sie Brumbys Ring schon vor einer ganzen Weile an ihn zurückgeschickt hatte. Sie hatte es noch gar niemandem erzählt. Normalerweise wäre Harm, ihr bester Freund, der Erste gewesen, dem sie ihre Entscheidung anvertraut hätte, aber sie redeten ja nicht mehr über private Dinge. Außerdem wollte Mac keinen falschen Eindruck erwecken. Harm sollte nicht glauben, sie hätte die Beziehung zu Brumby seinetwegen beendet. Es hatte nichts mit Harm zu tun, sondern sie hatte gerade noch rechtzeitig bemerkt, daß sie dabei war, denselben Fehler wie mit Chris nochmal zu machen. Sie mochte Brumby, er war nett, gutaussehend und zuvorkommend. Er sagte immer genau die richtigen Dinge zur richtigen Zeit, aber sie liebte ihn nicht. Sie hatte nur Stabilität und eine Familie gesucht, jemanden, zu dem sie gehörte. Glücklicherweise hatte sie noch rechtzeitig eingesehen, daß der Preis dafür zu hoch war.

"Wir lassen Sie Ihre Vornamen behalten, damit Sie sich nicht gegenseitig verraten, aber ich halte es für besser, wenn Sie einen anderen Nachnamen benutzen, jemand könnte von Rabb und MacKenzie gehört haben. Wir haben uns für einen Namen entschieden, den Sie sich sicher gut merken können. Was halten Sie von Roberts?" Webb sah sie fragend an.

"Schön." brummte Mac wenig interessiert. Ihr gingen ständig nur drei Dinge durch den Kopf: Alaska, mit Harm, als verheiratetes Paar. Wie sollte sie das nur durchstehen? Es war schon so schwer genug. Vermutlich würden sie sich innerhalb der ersten drei Tage gegenseitig umbringen. Vielleicht war genau das ja auch mit dem Forscher-Ehepaar geschehen.

Admiral Chegwidden schob ihnen den Ordner hin. "Gut, Sie können wegtreten ... Mister und Mrs. Roberts!" Seine Lippen deuteten ein Lächeln an.

Harm und Mac salutierten und machten kehrt.

"Einen Moment bitte, Commander." hielt Chegwiddens Stimme Harm zurück, als er gerade die Tür erreicht hatte. Harm kehrte zum Schreibtisch zurück, während Mac mit Webb das Büro verließ. "Sir?"

Chegwidden schob ein wenig das Kinn vor. Normalerweise versuchte er, sich aus dem Privatleben seiner Leute möglichst herauszuhalten, auch wenn er durchaus Anteil nahm, aber Harm und Mac waren nicht nur Untergebene für ihn und er bedauerte es, daß ihre wundervolle Freundschaft einen solchen Riß erhalten hatte. Ganz zu schweigen von ihrer Arbeitsbeziehung. Langsam begann ihre Privatfehde, ihre sonst so ausgezeichnete Arbeit zu beeinträchtigen.

A.J. erhob sich, um auf gleicher Höhe mit Harm zu sein. "Ich denke, auf dieser Mission werden Sie reichlich Gelegenheit dazu bekommen und deshalb lege ich Ihnen als Ihr Vorgesetzter nahe, mit Lt. Colonel MacKenzie zu sprechen." Er betonte das "Vorgesetzter" und es klang, als wolle er etwas hinzufügen.

"Und als Privatperson?" fragte Harm nach.

"Als Privatperson lege ich Ihnen nahe, mit Sarah MacKenzie zu sprechen." entgegnete Chegwidden ohne Umschweife.

Harm war verwirrt. "Sir?"

"Ich hätte nie für möglich gehalten, daß es noch möglich ist, das zu überbieten, aber Commander, Ihre sozialen, zwischenmenschlichen Fähigkeiten überbieten sogar noch die von Lieutenant Roberts!" knurrte der Admiral.

"Ja, Sir." Harm hielt es für besser, nicht mehr weiter nachzufragen, denn er war nicht sicher, ob er die Antwort wirklich hören wollte.

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1936 Z-Zeit (14: 36 Uhr EST)
JAG-Hauptquartier
Falls Church, Virginia

"Was wollte der Admiral noch von Ihnen?" fragte Mac, kaum daß Harm die Tür hinter sich geschlossen hatte.

"Na, wir sind aber neugierig, Colonel!" neckte Harm, doch als er Macs warnenden Blick bemerkte, fuhr er fort: "Nur ein kleiner Rat, von Psychologe zu Psychologe sozusagen." Er sah auf den Ring an seinem Finger hinab, dann auf Macs Hand. "So schnell kann’s gehen, nicht? Meine Mutter wird jedenfalls hocherfreut sein, daß ich endlich heirate." scherzte er und fügte in Gedanken hinzu: "Vor allem, wenn sie hört, WEN ich heirate."

Mac antwortete nicht, sondern schnitt nur eine Grimasse. "Wenn wir jetzt VERHEIRATET sind," sie betonte es auf eine sarkastische Weise, "dann lassen Sie sich eines gesagt sein: Sparen Sie sich beim nächsten mal diese machohafte Pseudo-Höflichkeit, okay?"

"Bitte?" Wovon zum Teufel redete sie jetzt schon wieder?„ Scheinbar konnte er ihr einfach nichts recht machen.

Mac wedelte ärgerlich mit den Händen. "Ja, dieser Blödsinn mit der Tür vorhin."

"Ah, machohafte Pseudohöflichkeit heißt das bei Ihnen?" Harms Augenbrauen zogen sich zusammen. "Das letzte mal, als ich nachsah, galt das immer noch als gutes Benehmen, Mac! Wenn ich Ihnen nicht den Vortritt gelassen hätte, würden Sie sich jetzt vermutlich über meine mangelnden Manieren beschweren."

"Dies ist hier das Jag-Büro, das Militär und keine Benimm-dich-Stunde, und ich bin als Marine-Corps-Offizier hier. Sparen Sie sich Ihre guten Manieren für Ihre Freizeit auf, Commander." forderte sie ihn kühl auf.

"Ganz wie Sie wünschen," knurrte Harm frustriert, "aber DAS sollten Sie sich besser abgewöhnen."

"Was, das?" fragte Mac entnervt.

"Erstens diesen Ton Ihrem geliebten Ehemann gegenüber," Harm schenkte ihr ein halbherziges Flyboy-Lächeln und ein Teil von ihm hoffte immer noch, daß sie endlich Vernunft annehmen und zurücklächeln würde, aber ein solches Glück hatte er natürlich nicht, "und zweitens ist es nicht gerade passend, wenn Sie mich mit Commander ansprechen."

"Ach, und wie soll ich Sie nennen? Etwa Liebling, Schätzchen oder einer dieser lächerlichen Kosenamen?!" fauchte sie ihn an.

Hätte er sich eigentlich denken können, daß sie für solche verniedlichenden Kosenamen nicht viel übrig hatte. "Wie wär’s mit Harm?" schlug er sanft vor und in seinen Augen war etwas, was für einen Sekundenbruchteil all den Zorn und die Bitterkeit in Mac durchdrang. Für einen Augenblick konnte sie sehen, wie verletzt auch er war, wie sehr er es vermißte, daß sie ihn mit seinem Namen ansprach oder daß sie ihn überhaupt ansprach und nicht nur anbrüllte.

Doch der Moment ging so schnell vorüber, wie er gekommen war; Macs Groll war einfach zu groß, um ihn nur wegen eines dieser charmanten Flyboy-Grinsens so einfach über Bord werfen zu können, selbst wenn sie es gewollt hätte.

Bud Roberts hastete vom anderen Ende des Büros auf sie zu. "Ma’am, Sir, ich habe eben gehört, man schickt Sie nach Alaska? Undercover? Als Ehepaar?" Buds Stimme überschlug sich fast vor Aufregung. Er grinste Mac an. "Sie müssen nicht so besorgt dreinsehen, Ma’am. Sie wissen doch: Heiraten bedeutet nicht, seine Träume aufzugeben, sondern jemanden zu haben, mit dem man sie teilen kann."

Mac stöhnte. Auch das noch. "Als ich das gesagt habe, hatte ich ganz sicher nicht so eine Ehe im Sinn." murmelte sie.

Harm zog leicht eine Augenbraue hoch. Stammte dieser Satz, den Bud da eben zitiert hatte, wirklich von Mac? Nach allem, was sie erlebt hatte, ihrer gescheiterten Ehe und der tragisch endenden Beziehung zu Dalton Lowne hätte er nicht gedacht, daß sie immer noch eine so idealistische Einstellung zur Ehe hatte. Dennoch gefiel Harm dieser Satz, bis ihm einfiel, daß Macs Beziehung zu Mic Brumby höchstwahrscheinlich der Auslöser für diese Aussage gewesen war.

"Oh man, Alaska!" Bud ließ sich nicht bremsen. "Das ist ... das ist wie in dieser X-File-Episode, wissen Sie?" sprudelte es begeistert aus ihm heraus, "Also, da waren diese Wissenschaftler, die an irgendeinem Projekt zur Erforschung des arktischen Eiskerns arbeiteten. Dabei setzten sie außerirdische Parasiten frei, die unter dem Eis konserviert waren und alles endete damit, daß sie sich gegenseitig ermordeten." Bud steigerte sich in seine Erzählung hinein. "Und dann gab es da noch den Kinofilm! Sir, Ma’am, Scully wurde da in die Antarktis ..."

"Bud!" unterbracht Harm ihn scharf, "Wie oft muß ich Ihnen noch sagen, daß ich solche Ammenmärchen nicht hören will!"

Bud wurde in seiner Begeisterung gebremst und er ließ fast enttäuscht die Arme sinken. "Oh, ja, Sir. Entschuldigung, Sir, ich wollte nicht ..."

"Commander, könnte ich Sie mal eine Sekunde sprechen?" Macs Ton war eisig. Sie wartete nicht auf Harms Zustimmung, sondern schleifte ihn praktisch am Arm hinter sich her in ihr Büro. "Was fällt Ihnen ein, Bud so zu behandeln?!" fauchte sie ihn an.

Harm hob beschwichtigend die Hände. "Gut, ich mag mich im Ton vergriffen haben, aber ..."

"Nichts aber!" Mac ließ ihn nicht zu Wort kommen.

"Oh, doch, ABER!" unterbrach Harm sie mit Nachdruck. Langsam hatte er es satt, daß sie ihm ständig das Wort abschnitt. "Außerdem haben gerade Sie kein Recht, mir zu erzählen, wie ich meinen Legal Assistant zu behandeln habe. Im ganzen Büro wagt niemand mehr, auch nur ein falsches Wort zu Ihnen zu sagen, aus Angst, daß ihm gleich der ganze Kopf abgerissen wird!"

Diesmal war Harm es, der sie stehenließ und aus dem Büro marschierte, es war wohl besser so, bevor er noch mehr sagte, was ihm später vielleicht leid tat und noch mehr kaputt machte, falls das überhaupt noch ging.

Er ging zu Bud hinüber, der noch immer an derselben Stelle stand und große, bekümmerte Augen machte.

Harm klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter. "Tut mir leid, daß ich eben so laut geworden bin, Bud, aber in Anbetracht der Mission, die da vor uns liegt, sind Erzählungen von Parasiten und massenmordenden Forschern nicht gerade das, was ich brauche." "Es ist schon schlimm genug, weiß Gott wie lange mit einer mordlustigen Sarah MacKenzie zurechtkommen zu müssen." dachte er seufzend.

Bud hatte ihm die scharfe Zurechtweisung nicht übel genommen, er war daran gewöhnt, daß Harm ihm für gewöhnlich weniger durchgehen ließ als die tolerantere Mac. Obwohl der Colonel ihm in letzter Zeit auch einige ziemlich unfreundliche Dinge an den Kopf geworfen hatte.

"Commander," nutzte Bud die Gelegenheit, "was ich Sie fragen wollte..." "Oder vielmehr, was Harriet wollte, daß ich Sie frage..."

"Hm?" Harms Blick war noch immer auf Macs Büro gerichtet.

"Sir, was ist mit dem Colonel los? Ich meine, sie ist so ..." Bud fuchtelte hilflos mit den Armen in der Luft herum.

"Schon gut, Bud, ich weiß, was Sie meinen." Niemand im Umkreis von einer Meile hatte eine Chance gehabt, Macs Laune in den letzten Wochen zu übersehen.

"Aber es muß doch einen Grund dafür geben! Ich meine, was hat sich denn plötzlich verändert? Zwischen Ihnen, Sir?"

"Gute Fragen, Bud, die stelle ich mir auch jeden Tag ein Dutzend Mal und weiß noch immer keine Antwort." murmelte Harm.

"Vielleicht sollten Sie nicht sich fragen, sondern Colonel MacKenzie, Sir." Bud brach ab, als ihm klar wurde, daß er gerade im Begriff war, einem ranghöheren Offizier zu sagen, wie er sich zu verhalten hatte. Als Harm ihn jedoch mit intensiver Aufmerksamkeit und ohne jeden Ärger ansah, fuhr er fort: "Vielleicht sollten Sie sie mal fragen, was los ist, mal mit ihr reden, Sir."

"Ich hab’s versucht, Bud, mehr als einmal. Wollen Sie wissen, was dabei rausgekommen ist? Das." Harm streckte die Hand aus.

Bud folgte seinem Blick hin zu Macs geschlossener Bürotür. Einen Moment lang verstand er nicht, was Harm meinte, doch dann hörte er es. Besser gesagt: Er hörte es nicht. Stille. Zwischen Harm und Mac herrschte absolute Stille. Es sei denn natürlich, sie stritten sich gerade.

Bud wußte nicht, was er mehr haßte.

TBC

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