Cold as Ice

Author: Sandra Gerth
Rating: PG (General/Action/Drama/Angst)
Spoiler: "Silent Service"; "Ein Held vor Gericht"; "Rendezvouz mit dem Tod", "Boomerang" (Spielt gegen Ende der 5. Staffel.)
Disclaimer: Alle Rechte an der Fernseh-Serie JAG und ihren Charakteren gehören Donald P. Bellisario, Belisarius Productions, CBS und Paramount.
Summary: Ausgerechnet als Harm und Mac sich nur noch streiten, wird ihnen ein neuer Auftrag zugewiesen und es ist kein Aufenthalt auf einem U-Boot, sondern schlimmer.


Chapter   »

Chapter 1

1525 Z-Zeit (10: 25 Uhr EST)
JAG-Hauptquartier
Falls Church, Virginia

Die Tür des Gerichtssaals öffnete sich. Lieutenant Colonel Sarah "Mac" MacKenzie war die Erste, die nach draußen trat. Sie fuhr wütend herum und begann mit ihrer zornigen Rede, noch bevor die Tür sich ganz geschlossen hatte. "Was zum Teufel sollte das, Commander?!" fuhr sie ihren Partner, Commander Harmon Rabb junior, aufgebracht an, "Versuchen Sie schon wieder, mich vor Gericht lächerlich zu machen? Das können Sie sich sparen, ich bin nicht mehr so naiv wie früher! Ganz zu schweigen davon, dass wir diesmal auf derselben Seite stehen oder besser: stehen sollten!"

Harm hob nur eine Augenbraue und sah sie an, als sei er überrascht über ihren unerwarteten Zorn. "Wie bitte?" fragte er, bemüht, ruhig zu bleiben.

Das reizte Mac aber nur noch mehr. "Oh, bitte, spielen Sie nicht den Ahnungslosen! Ich habe Ihnen schon mal gesagt, dass ich nicht von einem Lastwagen gefallen bin! Sie wissen genau, wovon ich rede! Also, was zur Hölle sollte das?"

Harm, sonst Geduld und Freundlichkeit in Person, spürte, wie auch er begann, etwas ärgerlich zu werden. "Das ist die Frage, die ich mir vor Gericht die ganze Zeit über gestellt habe. Was haben Sie da drin getan?" verlangte er zu wissen.

"Meinen Job, was sonst?" fauchte Mac ihn an.

"Ja, wenn es ihr Job ist, unseren Klienten als völlig unglaubwürdig hinzustellen, dann haben Sie das sicherlich geschafft." gab Harm ironisch zurück.

"Wie sollte ich denn wissen, daß Taggart seine Aussage in letzter Sekunde ändert? Ich kann ihm schließlich nicht vorschreiben, wie er zu antworten hat, ich habe den Zeugen lediglich befragt!" erwiderte Mac defensiv.

"Oh ja, und mit welchem Erfolg! Ich hätte Taggart besser selbst befragen sollen!" murmelte Harm.

"So ist das also, ja? Sind wir jetzt mal wieder so weit? Der große Harmon Rabb kann ja alles besser! Allein Ihnen zuliebe hätte der Zeuge natürlich völlig anders ausgesagt! Ich dachte, Sie hätten, wenn schon nicht mehr in mich persönlich, so doch wenigstens noch in meine Fähigkeiten als Anwältin Vertrauen, aber das war wohl ein Irrtum!" sagte sie eiskalt, drehte auf dem Absatz um und stürmte davon.

Harm folgte ihr sofort. Er war fast zwanzig Zentimeter größer und hatte längere Beine als sie, aber wenn Mac wirklich wütend war, dann konnte niemand so leicht mit ihr mithalten und jetzt kochte sie vor Wut. Bevor er sie einholen konnte, erreichte sie ihr Büro und schlug heftig die Türe hinter sich zu.

Lieutenant Bud Roberts, der hinter ihnen den Gerichtssaal verlassen hatte, zuckte leicht zusammen und zog etwas den Kopf ein, ein Verhalten, das in den letzten Monaten schon zur Gewohnheit geworden war.

Einige andere Offiziere hoben den Kopf, aber als sie Harms Blick bemerkten, wandten sie sich schnell wieder ihren ursprünglichen Beschäftigungen zu. Inzwischen gab es niemanden im ganzen Büro mehr, der die explosive Stimmung zwischen Mac und Harm noch nicht bemerkt hatte und keiner hielt es für ratsam, zwischen die Fronten zu geraten.

Harm ging in sein Büro und sagte sich, daß es schon wieder besser werden würde, es konnte nur noch besser werden, oder? Seufzend nahm er hinter seinem Schreibtisch Platz.

Er arbeitete einige Stunden konzentriert an einigen Unterlagen des Falles Manley und als er einen Blick auf die Uhr warf, stellte er fest, daß es bereits Mittag war. Er beschloß, eine Pause einzulegen und sich etwas zu essen aus der Küche zu holen.

Harm erhob sich und streckte seine große Gestalt. Als er die Küche betrat, sah er, daß Mac denselben Gedanken wie er gehabt hatte. "Früher wären wir zusammen zum Lunch gegangen." dachte Harm unwillkürlich.

Mac lehnte am Kühlschrank, in der einen Hand einen Donut, in der anderen eine Akte, in der sie ihre Nase praktisch vergraben hatte. Ihre Rechte tastete nach einem zweiten Donut, ohne daß sich ihre Augen von dem Blatt lösten.

Harm unterdrückte ein Lachen, als er nähertrat. "Ihr Marines eßt ja wirklich ’ne Menge." kommentierte er mit einem gutmütigen Grinsen. Noch vor ein paar Monaten hätte Mac mit irgendeiner schlagfertigen Antwort über die Ernährungsgewohnheiten der Navy im Allgemeinen und ihm im Speziellen gekontert, aber seitdem hatte sich scheinbar eine Menge geändert. Er hätte es eigentlich wissen und auf diese Bemerkung verzichten sollen, aber er konnte sich einfach nicht daran gewöhnen.

Macs Kopf fuhr in die Höhe. "Ich hab Sie nicht gebeten, mir dabei zuzusehen. Nicht jeder läßt seinen Speiseplan vom Gesundheitsminister absegnen; es gibt auch noch Leute, die ihr essen genießen! Jedenfalls tat ich das, bevor Sie reinkamen, danke schön!" schnappte sie aggressiv und fuhr ohne ihm eine Chance zu einer Antwort zu geben fort, "Wieso halten Sie es eigentlich für erforderlich, jeden einzelnen Handstreich, den ich mache, zu kritisieren?!"

Harm schüttelte frustriert den Kopf. "Wo ist bloß meine humorvolle Partnerin geblieben?" fragte er sich fast verwundert. "Und wieso halten Sie es für erforderlich, sich einen kleinen Scherz so zu Herzen zu nehmen?" fragte er zurück, bemüht, seine Stimme ruhig und sachlich zu halten. Es gelang ihm beinahe.

"Vielleicht, weil Ihre Scherze auch schon mal besser waren." knurrte Mac und legte den erst halb gegessenen Donut weg. Der Appetit war ihr vergangen.

"Vielleicht aber auch deshalb, weil Sie eine Laune haben wie Godzilla an einem schlechten Tag?!" Auch Harms Stimme wurde nun eine Spur lauter. Er bemerkte es und verzichtete darauf, noch mehr zu sagen. Stattdessen näherte er sich dem Kühlschrank, um endlich seinen Salat herauszunehmen.

Mac wich sofort zur Seite, warf ihm noch einen letzten giftigen Blick zu und verließ die Küche. "Oh, ich hoffe, er erstickt an seinem dämlichen Salat! Ich hoffe, er wird nach Grönland versetzt oder in die Antarktis oder ..." machte sie ihrem Ärger Luft, als sie zu ihrem Büro zurückging.

Harm schlug die Kühlschranktür wieder zu, ohne den Salat angerührt zu haben. Er hatte plötzlich keinen Hunger mehr. So konnte das doch nicht weitergehen! Langsam begann die Situation zu eskalieren und sogar ihre für gewöhnlich brilliante Zusammenarbeit in Mitleidenschaft zu ziehen. Sicher, sie hatten sich bereits früher gestritten, aber dies war nicht wie ihre üblichen scherzhaften Wortgefechte und auch nicht wie der Streit, nachdem Harm und sie sich zum ersten Mal vor Gericht gegenübergestanden hatten. Es war nicht einmal wie damals auf der Watertown. Sie stritten nicht um irgendwelche inhaltlichen Dinge, sondern wegen allem und nichts. Manchmal schien es fast, als legten sie es darauf an, sich gegenseitig zu verletzen.

Es gab keine gemeinsamen Abendessen in einem ihrer Apartments mehr, um einen Fall durchzugehen, kein Scherzen mehr im Büro, kein gemeinsames Joggen und keine Ausflüge in Harms Stearman "Sarah". Was Harm jedoch am meisten vermißte, waren ihre Gespräche. Mit Mac hatte er immer sprechen können, aber jetzt wechselten sie kaum noch ein Wort miteinander, nur das Allernötigste über ihren gemeinsamen Fall. Selbst das führte immer öfter zu Auseinandersetzungen.

Und was das Schlimmste war: Harm hätte gar nicht genau sagen können, wie sie sich in diese Lage manövriert hatten. "Nein, so kann das wirklich nicht weitergehen," beschloß Harm und ging zu Macs Büro hinüber, das direkt neben seinem lag.

Die Bürotüre war geschlossen. Das war auch so eine Sache. Früher, Harm tadelte sich selbst dafür, daß er in Gedanken dieses Wort benutzte, denn es klang irgendwie pathetisch, früher war ihre Tür, wie die seine, immer offen gewesen. Die geschlossene Tür war wie ein Symbol. Mac hatte ihn aus ihrem Leben ausgeschlossen.

Er klopfte.

Mac murmelte etwas von innen. Es war nicht das erwartete "Herein", sondern klang eher wie "Wäre besser für Sie, wenn Sie das nicht wären, Commander Rabb!"

Harm straffte die breiten Schultern. Er war Tomcat-Pilot gewesen und hatte schon schlimmere Drohungen gehört. Unbeeindruckt trat er ein.

"Mac, wir müssen uns mal unterhalten." begann er ernst.

Sarah MacKenzie sah von ihrem mit Unterlagen übersäten Schreibtisch auf. "Nicht jetzt, ich bin beschäftigt." murrte sie und wandte ihre Aufmerksamkeit wieder ihrem Notizblock zu.

Harm sah sie durchbohrend an. "Doch, genau jetzt!" forderte er.

Mac hob nicht einmal den Kopf. "Ich sagte, nein!"

Harm gab auf. Das würde zu nichts führen, zu nichts, außer einem neuen Streit. "Okay, dann lassen Sie uns ..."

"Commander, ich bemühe mich hier gerade, an etwas zu arbeiten, das uns morgen vor Gericht weiterhelfen wird," unterbrach ihn Mac, "Sonst beschweren Sie sich nachher wieder, ich würde meinen Job nicht tun!"

"Gut, Sie wollen es ja nicht anders, dann gehe ich eben alleine." brummte Harm, doch Mac schien gar nicht zuzuhören, "Geben Sie mir bitte mal die Manley-Akte." Er sah suchend auf ihren Schreibtisch, auf dem das übliche Wirrwarr herrschte.
Abwehrend hob er die Hände, als Mac begann, Stapel von Blätter hochzuheben. "Oh, lassen Sie nur, Manley wird längst zu lebenslanger Haft verurteilt sein, bevor Sie seine Akte in diesem ... Katastrophengebiet gefunden haben. Es wird schon so gehen." Mit diesen Worten verließ er ihr Büro.

*» *» *» *» *» *» *» *» *» *» *» *» *» *» *» *» *» *» *» *» *» *» *» *» *» *» *» *»

2111 Z-Zeit (16: 11 Uhr EST)
JAG-Hauptquartier
Falls Church, Virginia

Mac stürmte in das Büro und schlug die Tür hinter sich zu, diesmal war es Harms Büro-Tür. Sie baute sich in bester Marine-Manier vor seinem Schreibtisch auf, stemmte die Hände in die Hüften und bedachte ihn mit einem Blick, den sie normalerweise für Serienmörder, prügelnde Ehemänner und Leute reservierte, auf die sie jeden Moment schießen würde. Ihre dunklen Augen, nun fast schwarz vor Zorn, schleuderten Blitze. "Okay, Sie haben genau 30 Sekunden, mir zu erklären, was dieser Alleingang sollte!" fauchte sie ihn an.

Harm ließ seinen Kugelschreiber sinken. "Was habe ich jetzt schon wieder getan?" Er seufzte, ein Laut, den er, der ständig gutgelaunte, charmante Flyboy, normalerweise nicht gewohnt war.

Auf Mac jedoch schien sein Charme ohnehin jede Wirkung zu verfehlen. "Das kann ich Ihnen erklären, Mister Ahnungslos! Sie hatten ein Treffen mit den Vertretern der Anklage und hielten es nicht einmal für notwendig, mich darüber zu informieren!"

"Das wollte ich ja, aber..." begann Harm sich zu verteidigen, aber Mac ließ ihn nicht zu Wort kommen.

"Genau das ist es, wovon ich schon auf der Watertown gesprochen haben, wo Sie es offensichtlich auch für besser hielten, einen Zeugen ohne mich zu befragen! Sie schließen mich ständig aus allem aus! Hat das Wort TEAM eigentlich irgendeine Bedeutung für Sie?" In ihren Zorn mischten sich Resignation und Traurigkeit.

"Ach, hören Sie auf damit, Mac!" Diese Diskussion würde zu nichts führen.

Mac ließ sich nicht bremsen: "Nein, ich fange gerade erst an, Commander! Ich dachte, wir hätten unsere Probleme nach den Vorfällen auf der Watertown gelöst, aber da hab ich mich wohl geirrt. Wie sollen wir zusammen arbeiten, wenn Sie mir nicht mal mehr vertrauen und alles im Alleingang durchziehen wollen? Muß ich Sie daran erinnern, daß Sie nicht mehr in einer Tomcat sitzen und alles im Soloflug absolvieren können?"

Harms Augen änderten die Farbe von seinem normalen blau-grün, zu einer dunkleren Schattierung, als hätten sich Wolken über die Sonne geschoben und der Himmel hätte sich verdüstert. "Sind Sie jetzt fertig, ja? Könnte ich vielleicht auch mal ein Wort sagen? Danke schön. Als ich heute mittag in Ihrem Büro war, wollte ich Sie über das Treffen informieren, aber Sie waren ja anderweitig beschäftigt!" warf Harm ihr vor. Ihre Bemerkung mit der "Tomcat" verletzte ihn mehr als er zugeben wollte.

Jemand räusperte sich vernehmlich.

Die beiden Streithähne fuhren herum.

Admiral A.J. Chegwidden, Leiter von JAG, stand im Türrahmen und sah nicht gerade erfreut aus, sein bestes Team streitend vorzufinden - wieder einmal. Wer sich mit SEALs auskannte, der wußte, daß es ziemlich unangenehm werden konnte, wenn ein SEAL, oder ein ehemaliger, "nicht gerade sehr erfreut" war. "Irgendwelche Probleme?" fragte er mit einem leichten Grollen in der Stimme und sah streng von einem zum anderen.

"Probleme, Sir? Welche Probleme?" fragten Harm und Mac wie aus einem Munde, ein Bild der Unschuld.

Chegwidden ließ sich nicht täuschen. "120 Dezibel laute Probleme!" bellte er, das Grollen in seiner Stimme war nun zu einem Donnern geworden.

"Wir haben nur einen Fall diskutiert, Sir." behauptete Mac.

"Kann sein, daß wir dabei etwas zu übereifrig waren, Sir." fügte Harm hinzu.

"Guter Versuch, aber nicht gut genug!" knurrte der Admiral. "Colonel, Commander, Sie sind beide hervorragende Anwälte, aber Sie scheinen zu vergessen, daß ich auch einer bin. Ich kenne alle Ausreden und Tricks des Lehrbuchs zum Teufel, ich habe einige davon sogar geschrieben! Also, bitte: Mäßigen Sie sich, bevor ich es tue!"

Noch bevor jemand ein "Aye, Sir" hervorbringen konnte, war er verschwunden.

"Na toll," kommentierte Mac aufgebracht, "Jetzt haben Sie es auch noch geschafft, daß der Admiral mir eine Standpauke hält!"

"ICH? Ich habe es geschafft? Das haben Sie sich ganz alleine zuzuschreiben, Mac!" gab Harm ärgerlich zurück.

"Ha! Daß ich nicht lache!"

Harm zuckte die Schultern. "Es steht Ihnen frei, das zu tun!"

Mac wollte eine scharfe Antwort geben, aber plötzlich stand der Admiral wieder vor ihnen. Sein Gesicht leicht rot vor Ärger, die Augen zusammengekniffen, als wolle er besser Ziel nehmen, eine Zornesfalte auf der Stirn und seine Kiefer mahlten. Alles in allem: ein 1 Meter 90 wütender SEAL! "Haben Sie beide irgendetwas an den Ohren? Falls das der Fall sein sollte, entbinde ich Sie gerne ein paar Wochen vom Dienst, bis sie Ihren Hörfehler auskuriert haben!"

Die beiden Offiziere vor ihm hatten unwillkürlich Haltung angenommen. Chegwidden hatte sich so dicht vor ihnen aufgebaut, daß selbst Mac, der "Lieber-Tod-als-Rückzug"-Marine gerne drei Schritte zurück gemacht hätte.

"Heute ist wirklich Ihr Glückstag, denn wenn ich nicht zu einer Besprechung müßte, würde ich mich gerne noch ausführlicher mit Ihnen beiden beschäftigen!" knurrte ihr Commanding Officer sie an und ging nach einem letzten warnenden Blick zurück in sein Büro.

Mac machte auf dem Absatz kehrt, ohne Harm auch nur eines weiteren Blickes oder Wortes zu würdigen, und stürmte hinaus. Auf dem Weg in ihr Büro rannte sie fast Bud über den Haufen.

Der jüngere Offizier schwankte und versuchte verzweifelt, das Gleichgewicht zu wahren, während einige der Blätter, die er getragen hatte, zu Boden fielen. "Uh, Ma’am, wo ich Sie gerade treffe ..." Er grinste von einem Ohr zum anderen, als er bemerkte, daß seine Worte mehrdeutig waren. "Ich suche Commander Rabb. Wissen Sie, wo er ist?"

Mac bückte sich und reichte ihm einen Stapel Blätter. "Hoffentlich da, wo der Pfeffer wächst!" murmelte sie zwischen den Zähnen.

Bud starrte sie an. "Ma’am?"

Mac seufzte. "In seinem Büro, Bud." Sie setzte den Weg zu ihrem Schreibtisch fort.

Harm kam hinzu, als Bud ihr mit einem verwirrten Gesichtsausdruck nachsah. "Ist der Colonel noch immer wütend auf Sie, Sir?" fragte er besorgt.

"Noch immer, schon wieder..." Harm zuckte die Schultern, "Ich habe den Überblick verloren." Er grinste, aber es lag nicht sein üblicher Humor in dem Lächeln.
"Machen Sie sich keine Sorgen, Bud, sie wird sich schon wieder beruhigen."

Bud sah ihn zweifelnd an. "Ich weiß nicht, Sir, Colonel MacKenzie sah nicht so aus, als würde sie sich bald beruhigen."

Harm lächelte ermutigend. "Doch, doch, Bud, das wird sie schon. Sie wird gleich die Türe öffnen, an uns vorbeistürmen und den ganzen Weg zum Parkplatz vor sich hinschimpfen. Dann wird sie in ihre Corvette steigen und vom Hof fahren, ohne auch nur einmal zurückzublicken. Auf dem Heimweg wird sie sich einen Burger mit genug Fett darin kaufen, um ein ganzes Wolfsrudel ins Koma zu versetzten. Dann wird sie mit Jingo ein paar mal um den Block joggen und schließlich einen Punching Ball zu Tode prügeln. Danach wird sie sich schon wieder beruhigen."

Harm wünschte, er würde selbst glauben, was er da sagte. Zumindest an den letzten Satz konnte er nicht recht glauben.

"Ich hoffe, Sie haben Recht, Sir." seufzte Bud bekümmert. Selbst Bud, der in zwischenmenschlichen Angelegenheiten manchmal etwas unbeholfen war, hatte bereits bemerkt, daß Mac sich verändert hatte. Sie lachte weniger als früher und ihr rutschte öfter mal ein scharfes Wort heraus, auch wenn sie sich bemühte, Bud und den anderen Kollegen gegenüber freundlich zu bleiben. Harm gegenüber übte sie sich nicht in solcher Zurückhaltung; kühle Höflichkeit war noch das beste, worauf er hoffen konnte.

Noch bevor Bud richtig ausgesprochen hatte, wurde Macs Bürotür aufgerissen und Mac stürmte an ihnen vorbei, ihre Aktentasche in der Hand wie einen Rammbock. Es sah tatsächlich so aus, als schimpfe sie vor sich hin und kaum eine Minute später hörte man den Motor ihrer Corvette aufheulen, als sie vom Hof fuhr. Genau wie Harm vorhergesagt hatte.

"Das ist das Traurige daran," dachte Bud, "Der Commander und der Colonel kennen sich so gut und gerade, wenn man sich so nahesteht, kann man sich verletzen, sagt Harriet." Er seufzte erneut. "Oh man, ich hasse es wirklich, wenn sie sich streiten!"

*» *» *» *» *» *» *» *» *» *» *» *» *» *» *» *» *» *» *» *» *» *» *» *» *» *» *» *»

1259 Z-Zeit (07: 59 Uhr EST)
JAG-Hauptquartier
Falls Church, Virginia

Harm ging zwischen den zumeist noch leeren Schreibtischen im Großraumbüro hindurch und warf seine Tasche in den Stuhl vor seinem Schreibtisch. Dann ging er zum Büro des Admirals hinüber.

Tiner sah auf, als er nähertrat, und schien etwas überrascht, als er ihn erkannte. Normalerweise war Harm nicht unbedingt der Erste, der morgens im Büro erschien. Heute war er jedoch bewußt so früh gekommen, um vor Mac da zu sein, die für gewöhnlich überpünktlich war.

"Ist der Admiral da?" fragte Harm, ohne sich erst mit einer seiner sonst üblichen Scherze an den jungen Petty Officer zu wenden. Ihm war nach allem zumute, bloß nicht nach Scherzen, aber er hatte eine Entscheidung getroffen und nun mußte er sie durchziehen. Es war besser für alle Beteiligten, auch wenn es schwerfiel.

Tiner informierte den Admiral und kurz darauf durfte Harm eintreten.

Chegwidden sah von einigen Unterlagen auf, die er gerade unterzeichnet hatte. "Was gibt es, Commander?" fragte er, angenehm überrascht, Harm schon so früh im Büro vorzufinden. Anscheinend hatte die gestrige Standpauke die Arbeitsmoral tatsächlich verbessert. "Ich glaube, ich sollte meine Leute öfters anbrüllen." dachte er sich amüsiert.

Harm schaffte es irgendwie, vor dem Schreibtisch des Admirals in militärisch einwandfreier Haltung stillzustehen und trotzdem den Eindruck zu erwecken, nervös herumzuzappeln. "Sir, zuerst einmal möchte ich mich dafür entschuldigen, wie das in der letzten Zeit so gelaufen ist. Lieutenant Colonel MacKenzie und ich, wir ... wollten kein Aufsehen erregen, Sir ... ich schätze, das ist uns nicht gelungen." Harm grinste probeweise.

"Das können Sie aber laut sagen, Commander!" schnaubte Chegwidden, "Können Sie und der Colonel sich nicht hinter geschlossenen Türen streiten, wie alle anderen auch? Jedesmal, wenn ich mein Büro verlasse, herrscht draußen eine Stimmung wie zwischen zwei großen Schlachten! Ich möchte nicht, daß das sich nochmal wiederholt, klar?"

"Ja, Sir, und um das zu gewährleisten, wollte ich vorschlagen ... mir und dem Colonel neue Partner zuzuweisen, Sir." Jetzt hatte er es gesagt!

Chegwidden glaubte seinen Ohren nicht recht trauen zu können. "Wie bitte? Commander, Sie sind wohl nicht recht bei Trost. Was soll das heißen?" verlangte er zu wissen.

"Sir, ich glaube wirklich, daß es das Beste so wäre. Der Colonel und ich können einfach nicht mehr zusammen arbeiten, so wie es im Moment aussieht." Harm sah ihn ernst an.

Chegwidden überlegte eine Sekunde. "Antrag abgelehnt." kam dann die umgehende Antwort.

Harm hob die Augenbrauen. "Admiral?"

"Haben Sie immer noch Probleme mit den Ohren, Commander? Ich sagte, Ihr Antrag ist abgelehnt." bellte Chegwidden.

"Aber, Sir..."

"Arbeiten Sie mit Ihrem Partner zusammen oder lassen Sie es ganz, Rabb. Sie scheuen doch sonst nie vor Herausforderungen zurück, also fangen Sie jetzt nicht damit an!" Das Thema war für den Admiral erledigt.

"Sir, mit allem gebührenden Respekt, ich denke, Colonel MacKenzie würde es begrüßen, wenn sie mit jemand anderem zusammenarbeiten könnte." versuchte Harm es erneut.

"Ich schere mich einen Teufel darum, was der Colonel oder Sie begrüßen oder nicht, ich bin immer noch derjenige, der hier entscheidet, wer mit wem arbeitet, klar? Und ich halte mich an die alte Regel: Never change a winning team!" entgegnete Chegwidden unmißverständlich.

Harm atmete tief durch. "Dann beantrage ich, daß ich oder der Colonel von dem Fall abgezogen werden."

Auch das ließ den Admiral kalt. "Antrag verweigert."

"Und wenn ich beantrage..."

"Sie können beantragen, soviel und was Sie wollen, Commander, aber ich werde nichts davon unterschreiben! Es kümmert mich keinen Deut, ob sie zusammen arbeiten wollen oder nicht! Sie werden einen Weg finden, Ihre Differenzen zu lösen!" befahl A.J. streng und fügte dann etwas milder hinzu: "Verteufelt, was soll das eigentlich alles, Sie beide sind doch Freunde. Das dachte ich zumindest immer." Chegwidden hatte während der letzten Jahre oft beobachtet, wie Harm und Mac sich stritten "wie ein altes Ehepaar," dachte er belustigt und irgendwie waren sie immer wieder ins Reine gekommen, bis jetzt.

"Das dachte ich auch, Sir." murmelte Harm halblaut.

Es klopfte. Auf das "Herein" des Admirals trat Mac ein. Etwas verwirrt sah sie, daß Harm im Büro des JAG stand. "Ähm, Sir, ich wollte nur ... der vorläufige Bericht über den Manley-Fall..." Sie reichte Chegwidden die Akte.

"Setzen Sie sich, wo Sie schonmal hier sind, Colonel. Sie auch, Commander." befahl Chegwidden.

Beide gehorchten. Mac schielte fragend zu Harm hinüber, die dunklen Augen funkelten warnend. Hatte er etwa erneut einen Alleingang versucht oder aus welchem anderen Grund hatte er ohne Rücksprache mit ihr den Admiral aufgesucht?

"Colonel, eine Frage..." begann der Ex-SEAL.

Mac straffte die Schultern, sie wußte, daß nun nichts Gutes folgen konnte. "Sir?"

"Wie würden Sie Ihre Zusammenarbeit mit Commander Rabb bewerten? Von den letzten Wochen einmal abgesehen, meine ich." Der Admiral fixierte sie scharf, gab ihr keine Möglichkeit, eine Ausflucht zu suchen.

Auf diese Frage war Mac nicht gefaßt gewesen. Was sollte das? Hatte Harm sich etwa beim Admiral über sie beschwert? "Sir, wir ... sind ein gutes Team." sagte sei schließlich und fügte in Gedanken hinzu: "Wir waren ein gutes Team."

"Wieso hält Commander Rabb es dann für nötig, mich um die Zuweisung neuer Partner für Sie beide zu bitten?" wollte Chegwidden wissen.

"Was?!" Mac war drauf und dran, Harm in Anwesenheit des Admirals an den Hals zu springen.

"Colonel, setzen Sie sich! Sofort!" donnerte Chegwidden.

Mac gehorchte, aber ihr Blick durchbohrte Harm. "Wie können Sie es wagen..."

"Colonel, in meinem Büro wird nur einer wütend, und das bin ich, verstanden?" knurrte der Judge Advocate General, "Und ich sage es nochmal, zu Ihnen beiden: Sie werden zusammenarbeiten, ob sie es wollen oder nicht! Ich habe nicht vor, mein bestes Team wegen Ihrer Dickköpfigkeit zu verlieren! Lösen Sie Ihre Probleme! Habe ich mich klar genug ausgedrückt?!"

"Vollkommen, Sir."

"Glasklar, Sir."

"Gut." Chegwidden brummte einigermaßen zufrieden, "wegtreten." Er wußte, daß ein heftiges Geplänkel ausbrechen würde, sobald die beiden auch nur einen Fuß aus seinem Büro gesetzt hatten. "Geplänkel? Wen versuche ich da zu verulken? Dagegen wird vermutlich Vietnam ein Kindergeburtstag sein!" sagte er sich grimmig.

Harm drehte sich zu Mac um, sobald er die Tür hinter sich geschlossen hatte. Er wußte, daß er einen Fehler gemacht hatte, aber das war ihm als der einzige Ausweg erschienen. "Mac," begann er bittend, "so war das nicht gedacht; ich wollte nicht..."

Mac ließ sich nicht besänftigen, sie fühlte sich verraten und verkauft. "Was wollten Sie nicht? Zum Admiral gehen und hinter meinem Rücken um einen neuen Partner bitten? Oh, dann muß wohl irgendeine höhere Macht Sie dazu gezwungen haben! Sie hätten das mit mir absprechen sollen!"

Harm fühlte, wie es auch in ihm zu brodeln begann. "Absprechen? Wie hätte ich das anstellen sollen, wenn Sie kein Wort mit mir sprechen, außer „Sagen Sie Bud, er soll mir die Manley-Akte rüberbringen, wenn Sie damit fertig sind!„ Außerdem bedarf es keiner Absprache, um zu sehen, daß Sie nicht das geringste Interesse daran haben, mit mir zusammenzuarbeiten. Ich habe nur das getan, was das Beste für alle ist."

Mac starrte ihn an. "Es ist einfach unglaublich, wie anmaßend Sie sind! Wie zum Teufel wollen Sie wissen, was das Beste für mich ist? Das darf ich doch bitte schön noch selbst entscheiden!"

"Natürlich. Und wie würden Sie sich entscheiden? So wie Sie sich verhalten, hatte ich nicht den Eindruck, als legten Sie viel Wert darauf, weiterhin mit mir zusammenzuarbeiten!"

"Das, Commander, war der erste wahre Satz, den Sie heute geäußert haben!" zischte Mac, "Wie zum Teufel soll ich auch mit jemandem zusammenarbeiten, der sich anmaßt, alle Entscheidungen über meinen Kopf hinweg zu treffen?"

"Und wie soll ich mit jemandem zusammenarbeiten, der sich verhält, als wäre ich sein schlimmster Feind?" fragte Harm zurück.

Mac starrte ihn für einige Sekunden stumm an, dann wandte sie sich abrupt ab und verschwand in ihrem Büro. Die Tür schloß sie hinter sich diesmal fast geräuschlos, um sich eine neue Strafpredigt vom Admiral zu ersparen.

*» *» *» *» *» *» *» *» *» *» *» *» *» *» *» *» *» *» *» *» *» *» *» *» *» *» *» *»

Harriet Sims-Roberts, Buds Ehefrau, stand neben Gunny Galindez Schreibtisch und war geschockt. Sie arbeitete nur noch aushilfsweise bei JAG, aber die Leute hier waren noch immer ihre Freunde und es bestürzte sie zu sehen, daß Bud keineswegs übertrieben hatte, was Mac und Harm betraf. Ganz im Gegenteil. Sie verhielten sich wirklich fast, als wären sie Feinde.

Sie klopfte an Macs Tür.

Mac saß in ihrem Schreibtischsessel und starrte auf eine Akte, ohne wirklich etwas zu lesen. Als Harriet eintrat, sah sie auf. "Harriet, schön Sie zu sehen!" Trotz ihrer Worte klang sie nicht sehr überwältigt vor Freude, sondern einfach nur resigniert und müde.

Harriet fragte sich, was in den letzten Wochen alles geschehen sein mochte. "Habe ich die Erlaubnis, ganz offen zu sprechen, Ma’am?" fragte sie, wie sie es früher stets getan hatte.

Mac schluckte ihren Ärger hinunter und nickte. "Erlaubnis gewährt, Harriet. Und wenn Sie schon dabei sind, dann nennen Sie mich Mac."

"Ich will Ihnen nicht zu nahe treten und ich weiß, Sie mögen es nicht, wenn sich Leute in Ihr Privatleben einmischen, aber..." Harriet zögerte.

"Bringen Sie’s hinter sich, raus mit der Sprache!" forderte Mac sie auf.

"Ma’am ... Mac, Sie sehen in letzter Zeit nicht besonders gut aus." entfuhr es Harriet.

"Oh, vielen Dank für das Kompliment, Harriet." Mac lächelte schwach.

Harriet verzog das Gesicht. "So ... so hab ich es nicht gemeint, Ma’am."

"Schon gut, Harriet, ich weiß, wie Sie es gemeint haben. Aber es gibt keinen Grund zur Sorge; es ist nur etwas viel Streß zur Zeit; Sie wissen schon, der Manley-Fall und so."

"Sind Sie sicher, Ma’am? Ich meine, ist alles okay zwischen Ihnen und dem Commander?" fragte Harriet vorsichtig, nicht sicher, ob sie damit ihre Kompetenzen überschritt.

Mac fragte sich einen Moment, woher Harriet wissen konnte, daß sie den Ring an Commander Brumby zurückgesandt hatte, dann verstand sie: Harriet sprach von Harm. "Harriet, Sie sollen mich doch Mac nennen, schon vergessen?" erinnerte sie, "Und machen Sie sich keine Sorgen, das war nur ein kleiner Streit, nichts, was es nicht schon zuvor gegeben hätte." Sie wußte, daß Harriet ihr das nicht abnehmen würde, aber sie wollte einfach nicht darüber sprechen.

Harriet ging wieder zur Tür. "Na schön, aber wenn Sie mal jemanden zum Reden brauchen ..."

Mac rang sich ein Lächeln ab. "Dann komm ich zu Ihnen, ich weiß." Sie wußten beide, daß sie es nicht tun würde.

TBC

Chapter   »